Jedes Land verfügt über einen gewissen Kapitalstock und lebt von diesem. Von Land zu Land unterschiedlich sind die Faktoren, aus denen sich der Kapitalstock zusammensetzt und wie stark er wächst oder abgeschmolzen wird. Doch grundsätzlich kann auch Deutschland langfristig nur das verbrauchen, was zunächst erarbeitet wird.
Während sich der russische und saudische Kapitalstock zu einem sehr hohen Anteil aus Rohstoffverkäufen zusammensetzt, sind für den deutschen Kapitalstock primär hochwertige Arbeiten und Dienstleistungen bestimmend. Sie werden hier im Land erbracht und sicherten den Menschen allgemein und nicht nur denen, die sie konkret erbringen, einen hohen Lebensstandard.
An dieser Stelle kann es Deutschland nicht egal sein, dass ein Unternehmen wie Bayer seine gesamte Pharmaforschung aus Deutschland abziehen will. Unabhängig davon, wie man über das Unternehmen Bayer und die Pharmaforschung im Allgemeinen denkt, dürfte schnell Einvernehmen darüber bestehen, dass es sich bei diesen Forschungsberufen zumeist um sehr gut bezahlte Jobs handelt.
Sie verschwinden in wenigen Jahren komplett aus Deutschland und werden von Bayer in die USA verlagert. Für die USA bedeutet dies mehr attraktive Jobs, die für den amerikanischen Staat auch mehr Steuern nach sich ziehen werden, während die Entwicklung für Deutschland mit weniger hochbezahlten Jobs und auch weniger Steuereinnahmen verbunden sein wird.
Aus den Steuereinnahmen speist sich allerdings die Fähigkeit des deutschen Staats, Umverteilungen vornehmen zu können. Man mag zu Umverteilungen stehen wie man will, sie setzen allerdings zwingend Überschüsse voraus, zunächst bei den Beschäftigten und schließlich auch beim Staat.
Fehlen diese Überschüsse, gibt es nichts mehr zu verteilen und der Regierung bleibt wie in der DDR nur noch die Alternative, den Mangel irgendwie zu verwalten. Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte müsste sich jede Regierung deshalb zu jeder Zeit größte Gedanken darüber machen, wie sie den deutschen Kapitalstock am besten schützen und bewahren kann.
Schaut man nach Berlin, hat man in diesen Tagen allerdings eher das Gefühl, der deutsche Kapitalstock sei eine nie verendende Schatzkiste, aus der man sich ständig bedienen kann.