Unbemerkt von großen Teilen der Weltöffentlichkeit vollzieht sich derzeit eine einschneidende Wende auf den Kapitalmärkten. Jahrzehntelang sammelte China durch seine Exporte in die USA große Handelsüberschüsse an. Diese werden auch heute noch erzielt. Es gibt allerdings einen großen Unterschied zu früheren Jahren: Die für seine Waren erhaltenen US-Dollar legt das Reich der Mitte nun nicht mehr im Land der unbegrenzten Möglichkeiten an.
Erstmals alarmiert zeigten sich die Chinesen in den Jahren nach der Finanzkrise. Die Investments in US-Staatsanleihen waren jedoch nicht dauerhaft rückläufig. Nachdem die Krise ausgestanden war, stiegen die chinesischen Käufe von US-Bonds wieder an und erreichten das Niveau von vor der Krise.
Unter der Führung von Xi Jinping ist China jedoch dazu übergegangen, fällige US-Anleihen nicht mehr durch neue Anleihen zu ersetzen. Dadurch sinkt nicht nur der Anteil, den chinesische Investoren bei den Auktionen von US-Schatztiteln haben, sondern auch die absolute Höhe der US-Anleihen, die im Besitz des chinesischen Staates bzw. chinesischer Finanzinstitute sind ist deutlich rückläufig.
Der Krieg in der Ukraine als Katalysator
Von einstmals deutlich über 1.200 Milliarden US-Dollar sind die von China gehaltenen US-Staatsanleihen bis zum August 2023 auf nur noch 805,4 Milliarden US-Dollar zurückgegangen. Allein im August 2023 trennten sich die Chinesen von US-Anleihen im Wert von 21 Milliarden US-Dollar. Einen derart großen Rückgang hatte es zuletzt vor vier Jahren gegeben.
Auch diese Verkäufe trugen maßgeblich dazu bei, dass die Kurse der US-Schatztitel in den vergangenen zwölf Monaten ein drastischen Verfall erlebten. In der Spitze hielten die Chinesen 26 Prozent aller vom US-Finanzministerium ausgegebenen Staatsanleihen. In der Zwischenzeit ist dieser Anteil auf nur noch knapp elf Prozent zurückgegangen.
Ein Grund für die Kaufzurückhaltung der Chinesen sind mit Sicherheit die zwischen beiden Ländern bestehenden Spannungen. Sie sind in der letzten Zeit eher gestiegen als gesunken und dürften die Kaufneigung der chinesischen Seite nicht begünstigt haben. Daneben hat China auch Russland als warnendes Beispiel vor Augen.
Nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine froren die USA die russischen Guthaben im Land ein. Eine ähnliche Aktion könnte China gegenüber folgen, sollte beispielsweise der Konflikt um die Taiwan-Frage eskalieren. Diesem Risiko wollen sich die Machthaber in Beijing offensichtlich nicht übermäßig aussetzen.