Über zwei Jahrzehnte hinweg verzeichnete China eine starke Wanderungsbewegung innerhalb des Landes, denn zahlreiche Menschen strömten vom Land in die Stadt, um hier Arbeit zu finden und das Leben zu leben, von dem sie träumten. Das waren die 1990er, 2000er und 2010er Jahre. Das Land prosperierte, der Wohlstand nahm zu und in den Städten wurden immer mehr Arbeitskräfte benötigt.
In der Zwischenzeit hat sich die wirtschaftliche Lage verändert. Das Wachstum ist niedriger und es reicht längst nicht mehr aus, um vor allen die jungen Menschen einen Job finden zu lassen. Mit über 20 Prozent ist die Jugendarbeitslosigkeit daher sehr hoch. Ohne Arbeit verlieren Städte wie Beijing, Shanghai, Shenzhen oder Guangzhou jedoch schnell an Attraktivität.
Das Leben ist teurer hier und ohne eigenes Einkommen bleibt nicht nur die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eine Illusion. Selbst mit Job und Gehalt leben viele vor allem junge Chinesen in den Städten in Wohngemeinschaften oder wechseln jedes Jahr, wenn der Mietvertrag ausläuft und die Miete kräftig steigt, ihre Wohnung.
Stadtluft macht frei oder raus aus dem sich immer schneller drehenden Hamsterrad?
Preiswertere Wohnungen gibt es allerdings nur an der Peripherie. Dort sind die Preise noch bezahlbar. Dafür wird der Weg zur Arbeit länger und das Leben insgesamt stressiger. Aus dem Traum vom erfüllten Leben in der Stadt wird dann schnell ein sich immer schneller drehendes Hamsterrad. Wenn dann auch noch die Wirtschaft schwächelt, von den Unternehmen Entlassungen ausgesprochen werden und die Miete steigt, wird der einstige Traum sogar zu einem Albtraum.
Für viele Wanderarbeiter bleibt dann nur noch der Weg zurück zu den eigenen Wurzeln draußen auf dem Land. Wobei das „Land“ in China durchaus Städte von der Größe Kölns und Münchens meinen kann. Viele genießen das im Vergleich zu den großen Metropolen „langsamere“ Leben auf dem Land. Andere folgen nur den wirtschaftlichen Zwängen.
Die Regierung unterstützt die Rückkehr der Wanderarbeiter aufs Land. Sie verspricht sich von ihr eine Förderung der Wirtschaft auch in den bislang eher vernachlässigten Regionen des Reichs der Mitte. Denn viele zurückgekehrte Wanderarbeiter gründen eigene Firmen und tragen so auch in den ländlicheren Regionen zu einer Verbesserung des Lebensstandards bei.
Ob diese Wanderungsbewegung dauerhafter Natur sein wird, könnte sich im nächsten Aufschwung zeigen. Zurückkehren in die Metropolen werden dann vermutlich die, die nur den wirtschaftlichen Notwendigkeiten gefolgt sind. Bleiben könnte jene, die sich ein weniger stressiges und aufreibendes Leben wünschen. Sie werden auf Geld und Status gerne verzichten, wenn sie im Gegenzug mehr Ausgeglichenheit, Ruhe und Lebensqualität für sich gefunden haben.