Jede politische Führung steht früher oder später vor der Frage, ob in einem gegebenen Sachverhalt der eigenen Ideologie oder einer pragmatischen Herangehensweise der Vorrang eingeräumt werden soll. Die klügeren Vertreter der politischen Zunft entscheiden sich in der Regel gegen die Ideologie und für die Pragmatik. Diese Entscheidung fällt leichter, wenn das Wohl des eigenen Landes im Mittelpunkt steht und die Vorteile für die pragmatische Lösung auf der Hand liegen.
Deutschlands aktuelle Führung geht an dieser Stelle gerne einsame Sonderwege. Nach dem endgültigen Aus für die Atomkraft und dem Heizungsgesetz folgt nun mit der Blockierung russischer Flüssiggaslieferungen der nächste Schlag gegen die Interessen des eigenen Landes.
Wie in der Vorwoche bekannt wurde, hat das Bundeswirtschaftsministerium die Deutsche Energy, den Betreiber des LNG-Terminals in Brunsbüttel, in einem Schreiben angewiesen, Lieferungen von russischem Flüssiggas nicht zu akzeptieren. Dies berichteten zwei Industrievertreter. Nachdem der Fall bekannt wurde, wollte ein Sprecher des Ministeriums das Schreiben nicht kommentieren. Er erklärte lediglich, dass Deutschland grundsätzlich kein russisches Gas bezieht und dies auch nicht über die deutschen LNG-Terminals geschehen darf.
Symbolpolitik bis zum völligen Untergang
„Grundsätzlich“ ist in dieser Erklärung das Schlüsselwort, denn es lässt juristisch Ausnahmen zu, obwohl das Wort im allgemeinen Sprachgebrauch gerne als Synonym zu den Worten generell oder ausnahmslos gebraucht wird. Doch es gibt diese Ausnahmen und die deutsche Regierung kennt sie auch sehr gut. Denn es ist hinlänglich bekannt, dass russisches Gas auch über LNG-Importe aus Spanien, Belgien und den Niederlanden zu uns kommt.
Ebenso hat die deutsche Regierung keine Probleme damit, russisches Öl über Indien als sogenanntes „blended oil“, also gemischtes Öl, nach Deutschland zu importieren. Es erübrigt sich darauf hinzuweisen, dass der Umweg über Indien – die armen Inder wollen ja schließlich auch etwas an dem Geschäft verdienen – das russische Öl deutlich teurer macht als es bei einem Direktimport aus Russland wäre.
Den Schaden, der durch diese nun auch beim Gas fortgesetzte Symbolpolitik entsteht, bezahlt mal wieder der deutsche Verbraucher. Ihm werden zunächst an der Tankstelle und von seinem Energieversorger höhere Rechnungen präsentiert und und weil es so schön ist, geht, wenn es schlecht läuft, auch noch der Job mit verloren, weil das Unternehmen, bei dem man beschäftigt war, es angesichts der nicht mehr konkurrenzfähigen Energiepreise in Deutschland vorgezogen hat ins Ausland abzuwandern oder ganz zu schließen.
Begründet wurde das Verbot vom Wirtschaftsministerium mit den übergeordneten Interessen Deutschlands. Diese können offensichtlich nur noch darin liegen, das eigene Verderben und wirtschaftlichen Untergang des Landes mit größtmöglicher Energie und unter Ausblendung jeglicher Vernunft und Pragmatik zielstrebig herbeizuführen.