Von den warmen Worten der Solidarität zwischen Polen und der Ukraine ist derzeit kaum etwas übrig. Ein Netz aus Missverständnissen, gegenseitigen Vorwürfen und tiefen, historischen Wunden droht die beiden Länder zu entzweien. Der neueste Auslöser: Die Forderung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Polen solle russische Raketen auch über ukrainischem Gebiet abschießen, um das bedrohte Gaslager bei Lwiw zu schützen.
Soll Polen in den Krieg hineingezogen werden?
Der polnische Vize-Ministerpräsident Krzysztof Gawkowski reagierte empört und beschuldigte Selenskyj, Polen in einen Krieg mit Russland hineinziehen zu wollen.
Diese Wortgefechte passieren inmitten zunehmend diplomatischer Spannungen, die selbst die Waffenlieferungen überschatten. Warschau zögert, die restlichen MiG-29-Kampfflugzeuge zu übergeben, was Selenskyj als Bruch früherer Abmachungen betrachtet. Für viele in Polen erscheint seine Haltung anmaßend – ein Land, das so viel für die Ukraine geopfert hat, sieht sich nun kritisiert und gedrängt.
Hinzu kommen langjährige ungelöste Konflikte: Insbesondere das Andenken an die Massaker von Wolhynien, bei denen Polen durch die ukrainische Aufständische Armee UPA starben, bleibt eine offene Wunde. Warschau fordert von Kiew eine klare Anerkennung und Exhumierungen der Opfer, während Kiew diese Forderungen immer wieder abweist.
Das Verhältnis zwischen Polen und der Ukraine steht auf der Kippe, gefangen zwischen dem Streben nach Gerechtigkeit und der Belastung durch den Krieg gegen Russland.