Annalena Baerbock, Außenministerin, hatte die Federführung für „Vorgaben für alle sicherheitspolitischen Herausforderungen“, die als Vorlage einer „Nationalen Sicherheitsstrategie“ dienen sollten. Aktuell jedoch sieht es nach Berichten so aus, als würde Baerbock hier ihre Vorstellungen nicht umsetzen können.
Baerbock: Kanzleramt und Finanzministerium haben Bedenken
„Das erste große Projekt der Ampel-Koalition fürs neue Jahr stockt: die Vorlage einer „Nationalen Sicherheitsstrategie“. Eigentlich wollte die Bundesregierung das Dokument, das unter Federführung von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ressortübergreifend Vorgaben für alle sicherheitspolitischen Herausforderungen geben soll, Mitte Februar der Öffentlichkeit vorstellen.
Doch laut Bericht der „Welt“ für die Freitagausgabe gibt es noch zu viele Streitpunkte zwischen den Regierungsparteien. Der Zeitplan ist kaum noch zu halten. Die noch vor Weihnachten vorgesehene Versendung des Dokuments zur finalen Abstimmung an alle Ministerien wurde von Kanzleramt und Bundesfinanzministerium gestoppt. Im Ressort von Christian Lindner (FDP) heißt es auf Anfrage, man habe sich „den Bedenken des Kanzleramtes angeschlossen“ und sei „der Ansicht, dass die Erarbeitung der Strategie noch etwas Zeit braucht“, wie die „Welt“ schreibt, Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit. In der Ampel gibt es vor allem erhebliche Differenzen über Forderungen für die Bundeswehr. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) will das Ziel, jährlich mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleitung für die Bundeswehr auszugeben, im Strategiepapier verankern. Und sie will erreichen, dass europäische Rüstungsprojekte nicht mehr an den strengen deutschen Exportregeln scheitern. Bei den Grünen gibt es dagegen Vorbehalte.
Umstritten sind zudem Formulierungen zur China-Politik und die Frage, ob es künftig einen „Nationalen Sicherheitsrat“ in der Bundesregierung geben soll. Heftige Kritik kommt außerdem aus den Bundesländern, die sich übergangen fühlen. „Ich frage mich, wie man in Berlin eine sinnvolle Nationale Sicherheitsstrategie ohne Beteiligung der Länder ausarbeiten will – selbst, wenn es vermeintlich um Außenpolitik geht“, sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) der „Welt“. „Die großen sicherheitsrelevanten Themen, egal ob Cybersicherheit oder der Kampf gegen Terrorismus, werden doch auch in den Bundesländern beackert.“
Er habe für die praktische Umsetzung zu sorgen, seine Leute hätten einen großen Teil der Expertise. Und am Ende seien es die Polizisten der Länder, „die an Ort und Stelle durchsuchen, festnehmen und vollstrecken. Die Länder sollen mit im Boot sitzen, ohne zu wissen, wohin es fährt. Das geht so nicht.“
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann stellt gar den ganzen Prozess infrage. „Wenn die Bundesregierung bei allen diesen Themen die Länder erst einmal außen vorlässt“, sagte der CSU-Politiker der „Welt“, „disqualifiziert sich die sogenannte Nationale Sicherheitsstrategie bereits in ihrer Entstehung“. Das Außenamt argumentiert hingegen, es gehe um eine Sicherheitsstrategie der Bundesregierung. Am 13. Januar sollen nun die Chefs der 16 Staatskanzleien zumindest über den Stand der Arbeit informiert werden.
Weil der Entwurf streng vertraulich ist, müssen sie dafür persönlich nach Berlin reisen. Ob sie Fachleute aus den Innenressorts mitbringen dürfen, ist noch ungeklärt. Klar ist: Änderungswünsche sind auch in dieser Runde unerwünscht, dafür fehle die Zeit, heißt es in Berlin. Herrmann lässt das Zeitargument nicht gelten.
Ministerin Baerbock sei im Sommer wochenlang durchs Land getourt, habe mit Wissenschaft, Thinktanks, Verbänden und auch Nichtregierungsorganisationen debattiert, aber die „für die innere Sicherheit in erster Linie zuständigen Landesinnenministerien davon zumeist nicht einmal unterrichtet“. Wenn die Ampel den Auftrag ihres Koalitionsvertrags ernst nehme, „gemeinsam eine zukunftsweisende, umfassende Sicherheitsstrategie zu entwickeln“, müsse der Bund die Länder in geeigneter Form beteiligen. Bei Fragen der inneren Sicherheit „solle dies über die Arbeitskreise der Innenministerkonferenz geschehen“. Ähnlich wie Reul betont Herrmann, gerade bei der Krisenprävention, beim Katastrophen- und Zivilschutz, bei der Cybersicherheit oder „wenn es um Zusammenhänge zwischen innerer und außerer Sicherheit geht, ist doch die Expertise der Länder unbedingt notwendig.“ Bereits in einem der „Welt“ vorliegenden, noch unveröffentlichten Beschluss der Innenministerkonferenz von Anfang Dezember in München heißt es, die Ressortchefs der Bundesländer seien sich „einig, dass die Erarbeitung einer Nationalen Sicherheitsstrategie ohne Beteiligung der Länder nicht zielführend ist“.“
Bericht mit Material der dts Nachrichtenagentur