Die aktuelle Inflation in Deutschland hat in den vergangenen Monaten zweistellige Werte erreicht. Die Zinsen wurden von der Europäischen Zentralbank bislang aber lediglich auf 2,0 Prozent angehoben. Zwar erwarten die Marktteilnehmer an den internationalen Kapitalmärkten noch weitere Anhebungen, doch die Lücke zwischen der momentanen Inflation und dem aktuellen Zinsniveau bleibt gewaltig.
Schon im vergangenen Jahr hatte die US-Investmentbank Goldman Sachs berechnet, dass die Zinsen auf einen Wert steigen müssten, der um 0,5 Prozentpunkte über der aktuellen Inflation liegt, sollten die Notenbanken wirklich beabsichtigen, die Teuerung mit ihren Maßnahmen brechen zu wollen.
In der augenblicklichen Situation der Eurozone würde dies bedeuten, dass die Zinsen mindestens ein zweistelliges Niveau erreichen müssten. Stellt man nun noch in Rechnung, dass einige Ökonomen für Deutschland im kommenden Jahr ein weiteres Ansteigen der Inflationsrate auf bis zu 13 Prozent erwarten, wird schnell klar, was für eine Herkulesaufgabe auf die EZB wartet.
Bislang hat die Europäische Zentralbank primär eine Geldpolitik für die Staaten gemacht und die Bürger im Zweifelsfall im Regen stehen lassen
Die entscheidende Frage ist daher die, ob sich die Europäische Zentralbank dieser Herausforderung wirklich stellen will. Man sollte sich dabei nicht von den Worten ihrer Präsidentin oder einzelnen Mitgliedern des Zentralbankrats leiten lassen, denn Papier ist bekanntlich geduldig. Zählen werden am Ende nur die Taten.
Der EZB-Führung wie auch der amerikanischen Notenbank dürfte inzwischen aber längst klar sein, dass man schon bald eine Entscheidung treffen muss, die der zwischen Pest und Cholera gleicht. Entweder heben die Notenbanken auch weiterhin die Zinsen an und beenden damit die Inflation, brechen aber auch gleichzeitig der Wirtschaft und den Staaten das Genick.
Oder man mutet dem Staaten, den privaten Konsumenten und den Unternehmen an der Zinsfront nicht zu viel zu und hört irgendwann im nächsten Jahr mit den Zinserhöhungen auf. Kostenlos wird diese Entscheidung ebenfalls nicht sein, denn der Preis für diese „Lösung“ ist eine zumindest anhaltende, vielleicht sogar ausufernde Inflation.
Auf diese beiden Alternativen sollte sich jeder schon heute gedanklich einstellen und vorbereiten. Eine Freude, sie zu erleben, wird weder im einen wie im anderen Fall zu verspüren sein.