Das erste Halbjahr wird erst in wenigen Tagen enden. Dennoch zeichnet sich für Creditreform schon jetzt ab, dass das Insolvenzgeschehen in Deutschland in den ersten sechs Monaten des Jahres durch Sondereffekte stark verzerrt war. Das Bild, das sich dabei bietet, ist alles andere als einheitlich, denn es gibt starke Differenzen zwischen den Unternehmenspleiten und denen der privaten Verbraucher. Vor allem letztere sind sprunghaft angestiegen.
Auf der Ebene der Unternehmen dämpfen die staatlichen Hilfsmaßnahmen auch weiterhin die Zahl der gestellten Insolvenzanträge. 8.800 Firmenpleiten waren im ersten Halbjahr 2021 zu verzeichnen. Gegenüber dem Vorjahr mit 8.950 Insolvenzen entspricht das einem Rückgang von 1,7 Prozent.
Der Anteil von Großinsolvenzen war rückläufig. Im Gegensatz zum Vorjahr (125.000 Mitarbeiter) waren deshalb auch nur noch 90.000 Beschäftigte vom Konkurs ihres Arbeitgebers betroffen. Insgesamt die Hälfte aller Insolvenzfälle betrifft kleinere Firmen und Selbständige mit einem Jahresumsatz unter 250.000 Euro. In dieser Unterklasse stiegen die Pleiten gegen den allgemeinen Trend in einer zweistelligen Größenordnung.
Dammbruch bei den Anträgen auf Verbraucherinsolvenz
Eine Ursache für den besonders starken Anstieg der Verbraucherinsolvenzen ist die im Oktober 2020 vollzogene Änderung des Verbraucherinsolvenzrechts. Sie hat nach Aussage des Leiters der Creditreform Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch, zu einem Dammbruch bei den Anträgen geführt.
Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen schwoll von 28.240 Fällen im ersten Halbjahr 2020 auf 46.000 Fälle im ersten Halbjahr 2021 an. Das entspricht einem Anstieg um 62,9 Prozent. Der massive Anstieg bei den Privatinsolvenzen ist allerdings nicht allein auf die Corona-Pandemie und ihre Nachwirkungen zurückzuführen.
Einen hohen Anteil an den gestiegen Zahlen hat auch die geänderte Rechtslage. Das vom Bundestag im Oktober beschlossene „Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens“ halbiert die Dauer eines Privatinsolvenzverfahrens von bislang sechs auf nur noch drei Jahre.
Die Betroffenen müssen die Verfahrenskosten nicht mehr selbst bezahlen und auch auf die Erfüllung der sogenannten Mindestbefriedigungsanforderungen wird verzichtet. Seit Januar kommt es deshalb zu einem Run auf die Amtsgerichte und es scheint, als hätten viele Betroffene auf eine entsprechende Regelung gewartet. Ein schnelles Ende der Entwicklung ist jedoch nicht zu erwarten, denn 2020 haben sich nach Angaben des Statistischen Bundesamts rund 588.000 Personen mit finanziellen Problemen an die Schuldnerberatungsstellen gewandt.