Die Stimmen, die seit Jahren vor einem Zerfall des Rechtsstaates in Deutschland warnen, häufen sich und stammen zumeist von hochrangigen Juristen. Prominenter Kritiker der Merkel-Regierung ist der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans-Jürgen Papier, der schon seit der Migrationskrise wiederholt vor der schleichenden Erosion des Rechtsstaates warnt.
Mit dem Oberstaatsanwalt Ralph Knipsel erhält Papier Gesellschaft. Der Oberstaatsanwalt vom Kriminalgericht in Berlin hat in seinem Buch „Rechtsstaat am Ende“ die desolaten Zustände bei Polizei und Justiz beschrieben. Zu wenig Personal, schlechte Ausstattung und Überlastung würden Kriminellen zunehmend in die Hände spielen, meint Knispel, der auch Vorsitzender der „Vereinigung Berliner Staatsanwälte e.V.“ ist.
Desolate Zustände
Die Folge der „desolaten Zustände“ bei Polizei und Justiz sei – so Knispel – dass immer mehr Menschen das Vertrauen in das Rechtssystem verlieren würden. Knispel arbeitet seit fast dreißig Jahren bei der Berliner Staatsanwalt und seine Aufgabe ist es, Schwerkriminelle vor Gericht zu bringen. Das Rechtssystem sei jedoch bereits so marode, dass sich 55 Prozent der Kriminellen darauf verlassen könnten, nicht bestraft zu werden, konstatiert der Staatsanwalt.
So würden DNA-Spuren über Monate nicht ausgewertet werden. Vergewaltiger oder Großdealer würden aus der Untersuchungshaft entlassen, weil ihr Prozess nicht fristgemäß begonnen habe. Richter würden Urteile „in Eile“ sprechen, weil die Ermittler hoffnungslos überlastet seien und Kapazitäten fehlten, schreibt Knispel.
Knispel sieht das Versagen vor allem beim Staat. Dieser würde seine Aufgaben längst nicht mehr erfüllen, um die innere Sicherheit zu wahren. Knispel ist zudem der Ansicht, dass der Rechtsstaat in Teilen sogar nicht mehr funktionsfähig sei.
Laut seinen Ausführungen im Buch hätten Staatsanwaltschaften im Jahr 2019 fast fünf Millionen Verfahren abgeschlossen, doch fast 57 Prozent davon hätten nicht mit einer Anklage geendet, obwohl bei fast 30 Prozent der eingestellten Ermittlungen Verdächtige bekannt gewesen seien.
Polizei und Justiz seien über Jahrzehnte kaputtgespart worden, resümiert der Autor. Das verschaffe Tätern Vorsprung. Die Erhaltung des Rechtsstaates dürfe nicht von der Kassenlage der Bundesländer abhängen. In Berlin, Essen und Duisburg würden inzwischen kriminelle Banden und Clans ganze Stadtviertel kontrollieren. Abgeschobene Clanmitglieder würden einfach wieder einreisen und den Rechtsstaat so vorführen, kritisiert Knispel.
Die Situation der kaputtgesparten Justiz erinnert an die Zustände bei der Bundeswehr, die durch mangelndes Management, schlechte Politik und fehlende Investitionen ebenfalls kaputtgespart worden ist.
Auch bei der Infrastruktur sieht es nicht viel besser aus – von der Schulbildung ganz zu schweigen. Obdachlose, Kinder- und Altersarmut komplettieren die katastrophale Lage in diesem Land, die die Politik von 16 Jahren Merkel-Regierung widerspiegelt.
Am Geld kann es nicht mangeln, denn durch die Arbeitsleistung des deutschen Steuerzahlers nehme der Staat insgesamt knapp 800 Milliarden Euro jährlich ein. Würden die Mittel durch aufrichtige und kompetente Politik sinnvoll für das Volk investiert und nicht an die Lobby veruntreut, sähe dieses Land vollkommen anders aus.